Die Sonne hing wie eine goldene Scheibe am Himmel, ihre Strahlen glitten warm durch das Blätterdach und tanzten über den weichen Waldboden. Vögel zwitscherten in den hohen Ästen, und das Rascheln kleiner Tiere im Unterholz verlieh dem Wald ein sanftes, lebendiges Summen.
Mit federnden Schritten glitt eine schlanke Gestalt durchs Unterholz – fast lautlos, doch mit einem Leuchten, das die Schatten ringsum herauszufordern schien. Es war Maulbeere. Ihr schwarzes Fell wirkte im Sonnenlicht beinahe blau, durchzogen von weißen Sprenkeln, die wie winzige Sterne über ihren Körper verstreut waren. An ihren Pfoten und entlang ihres Schweifs bildeten die helleren Muster fast fließende Linien, die an Eisstreifen oder das Glitzern eines Bachlaufs erinnerten.
Mit einem Satz sprang sie auf einen umgestürzten Baumstamm, ließ den Schweif in die Luft schnellen und balancierte mühelos über das knorrige Holz. Ihre blauen Augen glänzten vor Neugier. Jeder Ast, jeder moosbedeckte Stein war für sie eine Einladung.
"Ha! Ich wette, keine andere Katze käme da rauf," murmelte sie mit selbstzufriedener Stimme und kicherte leise in sich hinein. Der Baumstamm neigte sich leicht, aber Maulbeere zeigte keine Furcht – im Gegenteil. Sie sprang ab, wirbelte durch die Luft und landete auf einem dicken Teppich aus Laub. Für einen Moment lag sie still, horchte auf das entfernte Klopfen eines Spechts, dann stand sie wieder auf und schüttelte sich.
Freiheit. Das war ihr Element. Keine Regeln, kein "du darfst nicht", keine fremde Stimme, die ihr sagte, wo sie zu sein hatte. Und wenn doch jemand auf die Idee käme, ihr Befehle zu geben – Maulbeere hätte es vermutlich gerade deshalb nicht getan. Nicht aus Bosheit, sondern weil ihr Herz sich nur lenken ließ, wenn es selbst dafür bereit war.
Ein Zittern huschte durch das Unterholz. Maulbeere hielt inne. Ein Reh? Ein Fuchs? Kurz spannte sie die Muskeln an, lauerte. Doch es war nur ein Hase, der erschrocken davonhoppelte. Sie grinste. "Vielleicht beim nächsten Mal."
Mit einem letzten Blick zum Himmel, wo sich keine einzige dunkle Wolke zeigte, trabte Maulbeere tiefer ins Grün, auf der Suche nach neuen Gerüchen, neuen Spuren, wer weiß was noch kommen mag
@Flimmerpelz